Creative Common Sense?!
Service Design und Design Thinking sind in aller Munde. Wie jeder begriffliche Hype bringt aber auch dieser seine Kritiker mit sich. Die einen sagen: Was ist so neu daran? Design Thinking haben wir schon immer gemacht und Services gestalten ist eine der grundsätzlichen Aufgaben eines Informationsarchitekten, bzw. User Experience Designers, so der aktuell beliebtere Job-Titel. Die anderen setzen ihre Kritik fundamentaler an: “Design Thinking is a failure” erklärte kürzlich Bruce Nussbaum, selbst jahrelang Vertreter des methodischen Designansatzes und Professor für Innovation und Design am Parsons The New School of Design. Als Design-Thinking-Veteran weiß er wovon er spricht und als Speerspitze der Designinnovatoren führt er gleich einen neuen Begriff ein: Creative Intelligence ist das nächste große Ding. In seinem Fast Company Artikel im April schrieb er:
Design Thinking broke design out of its specialized, narrow, and limited base and connected it to more important issues and a wider universe of profit and non-profit organizations. I believe the concept of Creative Intelligence expands that social engagement even further.
So what is Creative Intelligence, or CQ? Let me start by saying it is a concept in formation and I hope our conversation over the next months will give it a true, deep meaning. Above all, CQ is about abilities. I can call them literacies or fluencies. {…} It is about more than thinking, it is about learning by doing and learning how to do the new in an uncertain, ambiguous, complex space–our lives today.
At this point, I am defining Creative Intelligence as the ability to frame problems in new ways and to make original solutions. You can have a low or high ability to frame and solve problems, but these two capacities are key and they can be learned. I place CQ within the intellectual space of gaming, scenario planning, systems thinking and, of course, design thinking. It is a sociological approach in which creativity emerges from group activity, not a psychological approach of development stages and individual genius.
Creative Intellegence mag ein interessantes Konzept sein, das den ohnehin breiten Ansatz von Design Thinking nochmals erweitert. Aber wo stehen wir als Design Consultancies wirklich? Was können wir leisten und was nicht? Ist Design Thinking (mit seinen Methoden der Ideenfindung, der Visualisierung und des raschen, agilen Prototyping) nun die Lösung für stockende Innovationen und verstaubte Marken- und Businesskonzepte? Und bringt es uns Designern nun endlich an den Anfang der Prozesse von Produkt- und Serviceentwicklung? Im Moment sieht es so aus, dass gerade die Interactive Agnturen näher ans Management rücken und als Berater ernst genommen werden. Der Schein trügt, sagen allerdings die nüchterneren Gemüter, wie mein geschätzter Kollege Brian Gillespie von Media Catalyst, mit dem ich für Branded Interactions ein Interview führte:
“How ironic that the defining of the value of design thinking in the strategy formation process could result in it being taken over by business managers and shoving design managers back down the line and back years! “
Design Thinking ist weder neu, noch die Lösung aller Business- und Designprobleme, Und ja, als Informationsarchitekten und Interaction Designer haben wir auch schon vor 10 Jahren neue Services gestaltet – weil wir die Möglichkeiten eines neuen Mediums ausloteten, das weit mehr als ein reines Kommunikationsmedium zu sein versprach und auch damals schon war.
Und ja, Design Thinking ist nicht der eine und endgültige Ansatz mit dem sich festgefahrene Unternehemsstruktur, mangelhafte Produkte oder veraltete Servicekonzepte über Nacht aufbrechen und verändern lassen. Wir müssen uns als Designer (und damit meine ich alle am Prozess beteiligten) immer bewußt sein, wo unsere Grenzen sind. Was wir tun können und was nicht. Das was wir tun können mag das gleiche sein, was wir immer getan haben – aber, das gute am aktuellen Hype ist – das wir stärker als früher dafür angefragt und unsere Leistung ernstgenommen wird. Wir sind keine Unternehmensberater, die Businesskonzepte durchrechnen und unternehmerisch bis ins Detail durchplanen können. Sonst wären wir Unternehmer und keine Designer. Wenn wir beides sind – als Agenturgründer z.B. oder Startuputnternehmer können wir beides – in einem kleinen Feld. Was wir aber immer leisten können, ist Ideen aus unserer eingeschränkten, aber für andere Disziplinen womöglich neuen und befruchtenden Sichtweise beisteuern.
Das können nicht nur wir, sondern alle, die über eine “kreative Intelligenz” verfügen, oder in der Lage sind, ihre Methodenkenntnis in kreative lösungen umzusetzen. Aber: es liegt für uns als Designer sehr nahe so zu denken, da wir es gewohnt sind, vom Nutzer, also vom Menschen her zu denken. Nutzen, Verfügbarkeit, Bedienbarkeit, Relevanz, Attraktivität, auch Joy of Use und Nachhaltigkeit im Sinne einer anhaltenden Nutzerzufriedenheit sind unser tägliches Brot als UX Experten.
Unternehmen können davon profitieren, sie dürfen sich aber nicht darauf verlassen, dass wir alle Probleme lösen können. Das tun sie aber meiner Erfahrung nach auch nicht. Viele Produktmanager wissen heute sehr genau, was sie erwarten können und bekommen – und was nicht. Daher rührt nicht zuletzt die Bedeutung von Design Thinking. Es ist weniger der Hype, der von Agenturen erzeugt wurde, als der Bedarf, der durch die Nachfrage entstanden ist.
Kreative Intelligenz? Hm. Mein Vorschlag: Kreativer gesunder Menschenverstand. Oder, wenn wir ein neues Buzzword brauchen: Creative Common Sense. Do you buy that? Fine. Thanks.