back

Von Netzkultur bis Raumfahrt — Das war die re:publica 2015

Dorothee Schwartzmann
12 May 2015

Es ist wieder Mai und das heißt mittlerweile zum neunten Mal: re:publica! Unter dem Motto „Finding Europe“ luden die Organisatoren rund 450 Vortragende und über 6000 Gäste in die Station in Berlin Kreuzberg. Dabei ging es neben dem Thema Netzpolitik, um Netzkultur, Geflüchtete und deren Leben in Deutschland, Technologie und sogar Raumfahrt. Auf mehr als 11 Bühnen wurde größtenteils parallel ein umfangreiches Programm geboten.

Zu den spannendsten und besten Vorträgen in diesem Jahr gehört der Talk von Alexander Gerst, der es schaffte mit einem Bericht über seinen 6-monatigen Aufenthalt auf der internationalen Raumstation ISS einen Großteil der Konferenzbesucher vor seiner Bühne zu versammeln. Er zeigte spektakuläre Bilder aus 400 km Höhe von der Erde, einen sehr spannenden Einblick in das Leben eines Astronauten und die Bedeutung der Unterhosenwahl für die Raumfahrt. Die erste Reihe war von Kindern besetzt und die Faszination war nicht nur ihnen anzusehen.
Wer Lust auf mehr Raumfahrt bekommen hat, kann sich das Panel „Rosetta 1 – Kardashian 0“ mit dem Social Media Team der ESA Rosetta Mission anschauen. Diese zeigen sehr schön, wie wichtig Social Media auch für die Wisssenschaft geworden ist.

Nach diesen etwas exotischen Weltraumthemen bot der Vortrag von Holm Friebe und Mads Pankow von der Zentralen Intelligenz Agentur wieder ein etwas vertrauteres Design-Thema. In ihrem Talk „Nudge! Nudge! – Was Design von der Verhaltenspsychologie lernen kann“ präsentierten die beiden das Konzept des Nudging an mehreren konkreten Beispielen. Beim Nudging werden kleine Anreize geschaffen, die ein erwünschtes Verhalten in der Gesellschaft fördern oder unerwünschtes Verhalten vermeiden sollen. Die Umsetzung variiert dabei, von oft schlecht umgesetzten Warnschildern am Straßenrand bis hin zu neu platzierten Bänken in der U-Bahn von Tokyo. In Deutschland hat das Konzept vor allem Ablehnung erfahren, da es häufig als belehrender Eingriff des Staates in das Privatleben gewertet wird. Andere Länder wie Großbritannien dagegen sehen Nudging als nützliches Werkzeug und Alternative zu harter Gesetzgebung. Thomas Weyres, ebenfalls von der ZIA, stellte in seinem Vortrag ein mögliches Redesign des Hartz IV Antrags aus Nutzer-Sicht vor. Im selben Zug gab er außerdem noch einen Einblick in die Digitalisierung der Behördenprozesse in Großbritannien.

Wie im letzten Jahr gaben Anna Lena Schiller, Ralf Appelt und Britta Ullrich eine Einführung in Sketchnotes. Dabei geht es darum, Zusammenhänge nicht durch Worte, sondern durch kleinen Zeichnungen zu beschreiben. Ein paar einfache Grundlagen ermöglichen dabei auch komplexe Vorträge bildlich festzuhalten und auch später einfacher wieder zu verstehen. Auch dieses Jahr boten die drei diesen sehenswerten Vortrag zu Beginn der re:publica an und ermöglichten so, das neu erlernte Handwerkszeug live in der Konferenz zu üben.

Der Talk, der mir zum Thema „Finding Europe“ am stärksten im Gedächtnis bleiben wird, wurde von Mareike Geiling, Bakary Konan und Jonas Kakoschke gegeben. Als im letzten Jahr die dramatische Lage der Geflüchteten in Deutschland die Medienlandschaft dominierte, setzten Mareike und Jonas eine einfache Idee in die Tat um: sie hatten ein leeres Zimmer in ihrer WG, und anstatt dieses regulär weiter zu vermieten, boten sie es dem Geflüchteten Bakary an. Während auf beiden Seiten viele vor den Risiken und Schwierigkeiten einer Geflüchtetenunterbringung in der WG warnten, stellte sich heraus, dass “einfach machen” genau der richtige Ansatz ist. Nachdem im Kleinen die Idee sehr gut funktionierte, entschieden sich die beiden, aus der Idee ein Projekt zu machen, mit deren Hilfe Geflüchtete und WGs mit freien Zimmern zusammen finden können. Unter www.fluechtlinge-willkommen.de verwalten sie zusammen mit ihrem Team die Infrastruktur für die Kontaktaufnahme, Organisation und Flüchtlingsunterbringung. In ihrer Präsentation berichten die drei von ihren Erfahrungen des Zusammenlebens und Bakary schilderte seiner Erlebnisse als Geflüchteter. Der Vortrag selbst wurde leider nicht aufgezeichnet, aber auf ihrer Website  finden sich viele weitere Informationen zum Projekt und die Möglichkeit zur Unterstützung.

Auch dieses Jahr war die re:publica eine tolle Veranstaltung. Zwar kann man unmöglich alle Talks live und vor Ort sehen, aber die Aufzeichnungen machen es möglich sich viele Talks noch im Nachhinein anzuschauen. Und vielleicht sieht man sich sogar zur zehnten re:publica im nächsten Jahr!