Werkstudentin Fanny über ihre Bachelorarbeit zum Thema Quantified Self
Seit Anfang März ist unsere Werkstudentin Fanny dabei ihre Bachelorarbeit zum Thema Quantified Self bei uns zu schreiben. Grund genug sie hier nochmals nachträglich willkommen zu heißen und in einem Gespräch das Thema ihrer Arbeit kurz vorzustellen. Also: Willkommen bei think moto, liebe Fanny! Bevor Fanny uns von ihrer Arbeit erzählt, gibt es für alle Interessierten noch ein paar Infos zum Thema:
Was versteht man unter Quantified Self?
Quantified Selfers nutzen Smartphones, Apps, Gadgets und Tagebücher, um Daten über ihren Schlaf, Stress Level, ihre Herzfrequenz und Stimmung oder die allgemeine Luftqualität zu sammeln und aus ihnen zu lernen. Es geht nicht darum hinterher mit möglichst vielen Zahlen zu protzen, sondern diese Zahlen zum Verbessern der Gesundheit zu nutzen. Willkommen in der Welt des Quantified Self, zu deutsch Selbstquantifizierung!
Der Begriff Quantified Self (QS) entstammt der 2007 von den amerikanischen Wire-Journalisten Gary Wolf und Kevin Kelly online gestellten Website www.quantifiedself.com. Seitdem existiert eine Community, deren Anhänger durch das freiwillige Sammeln von Daten über sich, dem Self Tracking, hoffen mehr über sich selbst zu erfahren und so Lösungen zur Selbstoptimierung zu finden. Ganz nach dem gewählten Motto: „Self-knowledge through numbers.“ Dabei kann die Erfassung von Daten sowohl gesundheitliche und körperliche Aspekte, als auch alltägliche Routinen der Betreffenden umfassen. Die Analyse von Essgewohnheiten kann also genauso wie die tägliche Dosis Schlaf und psychische Verfassung dazu verwendet werden, diese gezielt zu überprüfen und gegebenenfalls auf seine eigenen Bedürfnisse hin zu optimieren. Der Begriff Self Hacking indessen bildet eine weitere Facette des QS, bei dem es sich um das Sammeln von Daten zur Erkennung von Verhaltensmustern und -gewohnheiten zur gezielten Persönlichkeitsentwicklung handelt. Dabei ist QS jedoch nicht mit Remote Health Monitoring zu verwechseln, da die Selbstvermessung erstens freiwillig geschieht und neben medizinisch oder gesundheitlich relevanten Daten auch Daten zu Umweltfaktoren oder Verhalten mit einschließt.
Quantified Self und Healthcare
Was auf den ersten Blick aussieht wie ein neues Hobby für Nerds, entpuppt sich auf den zweiten Blick als Chance zur Selbstmotivation und -Optimierung. Zwar gibt es die Möglichkeit zur Bestimmung körpereigener Daten durch Pulsuhren, Thermometer, Blutdruckmesser etc. schon lange, doch die Möglichkeit mit Hilfe alltäglicher Technologie Unmengen von Daten schnell und einfach grafisch darstellen und in Relation zu einander setzen zu können, ist neu. Das massenhaft automatisierte Sammeln und Austauschen von Daten inklusive Standortbestimmung und Umweltfaktoren durch den überall verfügbaren Zugang zum Internet mittels Smartphone ist ein entscheidender Faktor für das Aufkommen der QS-Bewegung. Ahänger der Bewegung sprechen von einer ultimativen Bestärkung des Individuums, denn jeder selbst kann die Gewalt über seine Daten haben. Mittlerweile lassen sich fast alle gesundheitsrelevanten Daten aufzeichnen und auswerten und noch vieles Mehr. Per App kann man beispielsweise ebenso leicht seine tagtäglich zurückgelegten Schritte, die dazugehörige Route sowie die daraus resultierende Entfernung aufzeichnen und analysieren, genauso wie die tägliche Arbeitszeit und den Kalorienverbrauch.
Die QS Technologie bietet vielfältige Lösungen für chronisch Kranke. So können bereits Daten von Allergikern mit aktuellen Pollenflug-Prognosen abgeglichen und im Voraus Empfehlungen für einen Hausaufenthalt gegeben werden. Die Palette der Anwendungen ist schier unendlich. Gut, dass Fanny uns dabei hilft den Durchblick zu bewahren. Mit welchen Aspekten des Qunatified Self sie sich bei think Moto im Rahmen ihrer Bachelorarbeit befasst, verrät sie Euch im Folgenden Gespräch:
Hey Fanny, danke dass Du uns einen Einblick in Deine Arbeit gewährst. Wie kamst Du dazu Dich bei Deiner Bachelorarbeit für das Thema Quantified Self zu entscheiden?
Ich habe bereits im letzten Semester ein Konzept erarbeitet, wie Patienten in der Krankenhausumgebung mehr Verantwortungsgefühl für ihre Gesundheit erlangen, indem sie Zugriff auf ihre Befunde bekommen und aktiver Teil des Entscheidungsprozesses sind. Über dieses Projekt habe ich mich bereits mit der Zukunft des Gesundheitswesens beschäftigt und bin bei der Recherche auf die Quantified Self Bewegung gestoßen. Da es ein sehr umfassendes, spannendes Feld ist, das man in viele Richtungen bearbeiten kann, habe ich mich entschieden auf dem Gebiet auch das Bachelorprojekt anzusiedeln.
Wie bist Du auf think moto als Agentur für Deine Arbeit gekommen?
Das war ehrlich gesagt Zufall. Für das Fach Entrepreneurship habe ich im Team einen fiktiven Businessplan für eine Designagentur ausgearbeitet und war auf der Suche nach bereits bestehenden Agenturen, die ein spannendes Portfolio haben, um sie als Konkurrenzbeispiel anzuführen. Auf der think moto Website habe ich dann etwas länger verweilt und entdeckt, dass sie ein Forschungsprojekt zum Thema Gesundheit planen und Unterstützung suchen. Da habe ich Katja und Marco kurzerhand angeschrieben.
Quantified Self ist ein weites Feld, gibt es einen Themenschwerpunkt in Deiner Arbeit?
Ich habe mich auf Grund von erstellten Personas, ihrer Bedürfnisse und meiner Technologierecherche auf 4 Themen eingeschränkt, von denen ich im Endeffekt eins bearbeite. Die 4 Themen sind Diabetes, eMonitoring, Früherkennung von Krankheiten und Ungleichgewichten im Körper und das große Thema der Balance zwischen produktivem Stress und Ruhephasen.
Was sind Deine Favoriten im Bereich konkreter Anwendungen bei QS?
Das kann ich so pauschal nicht sagen da jeder andere Bedürfnisse und Erwartungen hat. So findet jedes Produkt seine Liebhaber. Da ich selbst noch keines ausprobiert habe, gibt es noch keinen Favoriten.
Warum glaubst Du sammeln Self-Tracker alle möglichen Daten über sich, stellen diese visuell dar und veröffentlichen sie sogar in sozialen Netzwerken?
Hmm, wahrscheinlich weil sie es können. Es gibt einfache Open-Source Programme, deren Sprache zu erlernen auch für Nichtinformatiker möglich ist. Zum anderen werden die technischen Hilfsmittel immer preiswerter und für Privatpersonen erschwinglich. Plattformen wie Arduino ermöglichen das Experimentieren mit Sensoren und das Austauschen in der Community. Über das mobile Internet können wir die Daten auswerten und sie mit anderen Umwelteinflüssen wie z.B. dem Wetter vergleichen. Den psychologischen Aspekt, dass wir in Zeiten der Wissensgesellschaft das Bedürfnis verspüren unseren Körper besser zu verstehen indem wir ihn vermessen, sollte man dabei nicht vergessen. In Zeiten des Gesundheitsbewusstseins und des Individualismus möchten wir unser Leben bewusst gestalten, QS-Anhänger im Einklang mit ihrem Körper. Sicher spielt dabei auch der Gedanke der maximalen Produktivität eine Rolle, wenn man weiß wann der Körper seine Leistungsspitzen hat und was sie beeinflusst.
Bildet QS eine Alternative zu Medikamenten oder zu pädagogisch psychotherapeutischen Anwendungen?
Nein, das ganz sicher nicht, aber es ist eine wichtige Erweiterung. Durch Langzeitaufzeichnungen kann ein Arzt gezieltere Diagnosen stellen und die Lebensumstände seines Patienten besser verstehen.Im heutigen Gesundheitssystem wird die Verantwortung für einen Großteil der medizinischen Überwachung in die Hände der Familien und Patienten selbst abgegeben. Fördert und bestärkt das Aufkommen von Quantified Self / Self Tracking den Einfluss des Patienten auf seine Behandlung oder instrumentalisiert sie diesen? Wie siehst Du diese Entwicklung?
Ich denke sie fördert zu aller erst das Bewusstsein des Patienten, dass es sein Körper ist und er die Hauptrolle in seiner Krankengeschichte spielt. Der Arzt kann ihm bei aktuten Problemen helfen. Einen gesunden Lebensstil muss jeder selbst führen. Hier sind Daten, die messbar sind und visualisiert werden können, sicher eine bessere Motivation als das Bauchgefühl.Bedeutet das eine Verschiebung des Machtgefälles in der Doktor-Patienten-Beziehung?
Das Bedeutet auf jeden Fall, dass der Patient mehr Entscheidungsgewalt einfordert. Der Experte für den eigenen Körper ist jeder Einzelne, der Arzt ist jedoch der Experte für die Medizin im Allgemeinen und hilft dem Patienten durch Vergleiche zu „Normalwerten“ seine Werte einzuordnen und schlägt ihm eine geeignete Therapie vor. Dem liegen viele Jahre der Wissenschaft zu Grunde, die sich der Einzelne nicht mal eben in seiner Freizeit aneignen kann.Wer profitiert und vor allem wie, wenn Patienten mehr Verantwortung für ihre Gesundheit und Gesundheitsfürsorge übernehmen?
Zu allererst der Patient selbst, da er einen gesünderen Lebensstil leben wird. Jeder Einzelne formt die Gesellschaft, die Schlussendlich enorm profitiert, indem wir uns unserer Körper bewusst werden und sorgsam mit ihnen umgehen. Das führt zu enormen Einsparungen im Gesundheitssystem und dieses gesparte Geld kann stattdessen an anderen Stellen sinnvoll eingesetzt werden kann. Bis dahin ist es jedoch noch ein langer Weg, da das Umdenken erst bei einigen wenigen stattgefunden hat und allein das bloße Wissen um den eigenen Körper oft keine langfristige Motivation ist, den Lebensstil umzustellen.Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg bei Deiner Arbeit. Wir freuen uns bald mehr über Deine Fortschritte zu erfahren.
Links zum Thema
www.quantified-self.de
www.ted.com/talks/gary_wolf_the_quantified_self.html
Links zu Produkten
www.fitbit.com
www.mioglobal.com
www.jawbone.com/up
www.polar-deutschland.de
www.nikeplus.nike.com/plus
www.scosche.com/health-fitness/heart-rate-monitor